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Eiskalte Erlebnisse - Thriller-Live-Games
Vom: 27.06.2024

 

Titel

Wir berichten mal wieder für euch von verschiedenen Live Games in Europa, die das Erlebnis von digitalen Adventures in die reale Welt bringen. In unserem heutigen Special wollen wir uns drei Erlebnisse anschauen, die uns das Wasser eiskalt den Rücken runterlaufen ließen. Kein klassischer Horror, sondern hohe Anspannung und Herzklopfen sind im Fokus dieser Thriller-Live-Games! Gerätselt wird zwar auch bei diesen Kandidaten, aber wer damit rechnet, das in seinem eigenen Tempo tun zu können, ist hier sicherlich falsch. Los geht's...

 


 

Stay in the Dark Titel

Wir beginnen mit einem mittlerweile schon legendären Erlebnis: “Stay in the Dark” ist (oder leider: war) ein Live-Game der besonderen Art. Man spielt einen Kaufinteressenten für eine verlassene Fabrik an der Küste von Rotterdam. Am Fabriktor angekommen, wird man auf das wirklich riesige Gelände geführt und erfährt erste Details. Die Besichtigung der mehrstöckigen Fabrik, die tatsächlich mal eine Chemiefabrik war, soll man aber selbst durchführen. Einmal drin, kommt man so schnell nicht mehr raus. Denn wie sich herausstellt, treibt ein unheimlicher Bewohner in Feuerwehrsuniform dort sein Unwesen.

Wir streifen also durch Büros, Aufbereitungsanlagen, Labors und Kellergewölbe, klettern über Rettungsleitern in verschiedenste Stockwerke, finden Videoaufnahmen aus alter Zeit, schalten stillgelegte Maschinen frei und durchforschen das geheime Wohnzimmer des letzten Bewohners nach Hinweisen. Immer mehr wird klar: Er möchte sich an dem Tod seiner Tochter rächen. Und schließlich ist es soweit: Durch ein Glasfenster hindurch sehen wir ihn plötzlich da stehen – mit rasselnder Kette in der Hand, aber völlig erblindet und bereit zu töten.

Von da an heißt es titelkonform: Sich vor ihm in der Dunkelheit verstecken und besser keinen Mucks machen, wenn man nicht erwischt werden will. Unsere Aufgabe verändert sich ganz schnell von Kaufinteresse zum reinen Überlebenskampf. Und der ist nicht einfach, denn unser Killer hat allerlei Asse im Ärmel. Wenn man ihn plötzlich auf Ziplines mit Feuerfunken über seinen Kopf hinweg ziehen sieht und ein reales Feuerwehrauto plötzlich die Mitte der Lagerhalle, in der man sich befindet, für sich beansprucht, wird klar, dass hier ein absolut einmaliges Erlebnis geschaffen wurde.

DarkPark versteht es, mit Bravour Elemente des Escape Games, des Theaters, der Urban Exploration und des Immersive Designs in ein Gesamtkunstwerk zu verbinden, das seinesgleichen sucht. Auf einer riesigen Lost-Place-Fläche erlebt man einen wahrgewordenen Thriller samt surrealer Beleuchtung, effektvoller Pyrotechnik, aufregenden Stunts, dediziertem eigenem Soundtrack und elaborierter Storyline. Wahrlich eines der besten und immersivsten Erlebnisse, die ich je hatte und die mich Zeit und Raum vollständig vergessen ließen.

Disclaimer: Leider wurde die verlassene Chemiefabrik mittlerweile abgerissen, sodass “Stay in the Dark” nicht mehr erlebbar ist. DarkPark arbeitet jedoch mittlerweile an einem neuen Spiel in der Nähe von Delft und bietet in Zoetermeer mit “The End” weiterhin einen ebenfalls empfehlenswerten (wenn auch sehr kleinen) Thriller-Raum mit dem skurrilen Thema “Bestattungsinstitut”.

 


 

DOTG Titel

 

Ebenfalls im Raum Benelux, diesmal aber in Belgien, nicht weit von Maastricht, befindet sich unser nächstes Thriller-Erlebnis von der Gruppe Entered. Ähnlich wie bei “Stay in the Dark”  geht es auch bei “Demise of the Gricers” unmittelbar nach der Ankunft los. Wir sind Teil eines Erkundungstrupps, der eine merkwürdige Eisenbahn-Sekte infiltrieren soll. Dafür gibt es neben Overalls mit Knieschonern (über die man sehr denkbar sein wird) auch ein Agenten-PDA, das Teil der Story ist und über das man die nächsten drei Stunden somit auch indirekt über den Spielfortschritt informiert wird. Ein Knopf im Ohr wird einem ebenfalls platziert.

Zunächst erforschen wir den Wald auf der Suche nach der Unterkunft der Sekte. Diese befindet sich in einem stillgelegten, finsteren Lokschuppen voller historischer Eisenbahnen. Was nun folgt, soll nicht zu stark gespoilert werden. Es ist aber sicherlich nicht verkehrt, es als äußerst anstrengendes und nervenaufreibendes Spektakel zu bezeichnen. Über einen cleveren Mechanismus ist man nämlich hier nicht wie bei “Stay in the Dark” frei, alles zu erkunden, sondern muss seine Schritte genau planen. Jede falsche Entscheidung kann unmittelbar einen Alarm auslösen und die hochgefährlichen Sektenmitglieder auf einen hetzen. Und ja, diesmal ist es ein Plural, da mehrere gefährliche Personen den Ort bevölkern.

Die Kernaufgabe der Infiltration besteht darin, so viele Informationen wie möglich zu sammeln. Dafür muss man nicht nur die technischen Systeme vor Ort hacken, sondern auch die innere Logik des Kults begreifen lernen. Da man durchgehend unter Anspannung handelt, ist das leichter gesagt als getan. Eine Besonderheit bei “Demise of the Gricers” ist - neben dem technisch beeindruckenden System, bei dem die einzelnen mobilen PDAs, Kopfhörer und die Spielfläche sich die ganze Zeit gegenseitig synchronisieren - die gewaltige “Lore”, die das Setting bietet. In einem Spieldurchgang ist das komplette Rätsel im Prinzip nicht lösbar. Es gibt ein gewaltiges Angebot an Aufgaben, und man muss zu einem gewissen Grad bereit sein, auch mal Sachen zu verpassen oder nicht alles vollständig zu verstehen. Auch Teamplay ist ein wichtiger Aspekt bei der Mission.

DOTG Teamfoto

Dieses Erlebnis ist also viel mehr als ein Escape Room – es ist ein komplettes Universum mit einer elaborierten Hintergrundgeschichte, bevölkert von mehreren Charakteren, einer kohärenten Spiellogik und mit den aufwendigsten Gadgets, die ich je in einem Escape Room gesehen habe. Entered versteht es meisterhaft, einen Lost Place – sowohl indoor als auch outdoor – in ein Gesamterlebnis zu packen, bei dem den Spielern nicht nur vom Köpfchen her, sondern auch sportlich und nervlich alles abverlangt wird. In dem riesigen Areal gibt es so viel zu tun und zu erledigen, dass man selbst bei einem sehr strategischen Spieldurchgang nicht alles erleben kann – und auch nicht muss! Der hohe Wiederbesuchswert, tolle Schauspieler, grandiose Gestaltung, tonnenweise Aufgaben und Rätsel sowie das cleverste (und nervenaufreibendste) Fortbewegungsmittel, das ich je in einem Raum erleben durfte, machen dies zu einem einzigartigen Erlebnis!

Bislang ist die Seite der Agenten dort spielbar und damit ungefähr die Hälfte der Lokschuppen-Spielfläche. Entered hat aber angekündigt, auch die andere Seite spielbar zu machen.

 


 

Outline Titel

 

Für unser drittes und letztes Thriller-Erlebnis begeben wir uns nach Barcelona, einer Hochburg für Freunde von Live-Games mit Horror- oder Thriller-Elementen. Auch “Outline” führt uns wieder in eine verlassene Fabrik – diesmal jedoch wurde kein realer Lost Place verwendet. Stattdessen wurde in einem Vorort der Stadt eine düstere Industrielandschaft in einer Halle nachgebaut.

Mittlerweile sollte man wissen, wie der Hase bei diesen Spielen läuft: Wir müssen in die Fabrik einbrechen, und natürlich gibt es dort irgendeinen Geisteskranken, der als Kleinkind dort schlimmes erlebt hat und uns das Leben schwer macht. Was “Outline” von den anderen Kandidaten abhebt, sind gewagte Gamedesign-Entscheidungen. Denn auch wenn bei “Outline” viel Teamplay gefragt ist, schrecken die Macher nicht davor zurück, die Besucher der Fabrik immer wieder in moralisch schwierige Entscheidungen zu stecken. So müssen Mitspieler zum Beispiel in eine Quälmaschine geschoben werden, um das nächste Rätsel zu lösen. Auch sadistische Fallen lauern überall. Wer seinen Arm nicht verlieren will, sollte ihn besser nicht in jede verlockende Öffnung stecken. 

Auch bei der Privatsphäre sind die Spanier weniger zimperlich. Ein Adventure-Treff-Redakteur wurde bei “Outline” durchaus schon vom Antagonisten geschnappt und am Bein durch die vielen Korridore der Fabrik geschleift. Apropos Korridore: Hier schafft “Outline” eine noch anspruchsvollere Stimmung als die anderen beiden Kandidaten. Die Fabrik ist zu Beginn nahezu komplett stockfinster. Hat man mal den Strom zum Laufen gebracht, erhellen immer noch nur wenige Lampen erleuchten die Räume. Im Verlauf muss man erst Büros, Maschinenräume, Lifte oder Labors aufschließen, die sich natürlich immer am jeweils anderen Ende eines finsteren Ganges befinden. Dabei muss man sich – vor allem angesichts der Tatsache, dass man auch mal rabiat angefasst werden kann – immer wieder neu überwinden. Bei unserem Spielverlauf wussten die Macher jedoch immer genau, wie weit sie gehen können. Wer Spaß an etwas physischerem “Terror” hat, kommt bei “Outline” also voll auf seine Kosten.

Eine weitere Besonderheit bei “Outline” sind ausufernde Außensets, die man in den meisten Escape-Räumen ja eher selten antrifft oder dann nicht realistisch sind. Obwohl auch hier alles in einer Halle gebaut ist, vermitteln diese Außen-Locations trotzdem einen glaubwürdigen Eindruck. Das beginnt schon in der ersten Szene, wo man sich erst einmal in das Firmen-Gebäude hineinrätseln muss, denn natürlich ist das Fabrikgelände abgesperrt. Und es endet in einer völlig surrealen Außenszene, quasi im Hinterhof des Areals. Da es durchgehend Nacht ist und die Decke hoch, ist man trotzdem immer immersiv im Spiel und der Story. Rätsel kommen dabei trotzdem nicht zu kurz, auch wenn es sich hier um die üblichen Maschinen- und Logikrätsel handelt.

Outline Foto

Outline” ist ohne Zweifel eine ganz besondere Erfahrung im Bereich der Thriller-Live-Games. Kein Wunder, dass es die 2-Stunden-Experience letztes Jahr auf Platz 23 der TERPECA-Awards geschafft hat – quasi der Oscar für Escape-Räume. Die gestellten Aufgaben erfordern immer wieder einiges an Überwindung, und das Setting wird von Schritt zu Schritt surrealer. Nach ungefähr der Hälfte der Zeit fragt man sich, wie man plötzlich in diesem finsteren Alptraum gelandet ist, und das furiose Finale hat plötzlich so gar nichts mehr mit dem heimlichen Einbruchsszenario am Anfang zu tun. Wer seinen Urlaub also in Barcelona verbringt, vor einer Thriller-Erfahrung der Extraklasse nicht zurückschreckt und Lust auf Knobelei unter Strom hat, ist bei “Outline” genau richtig.

Sebastian Grünwald