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Vorschau

von  Benjamin "Grappa11" Braun
31.07.2010
A New Beginning
607]Mit The Whispered World hat Entwickler Daedalic vor rund einem Jahr das wohl klassischste Adventure der letzten Jahre abgeliefert - spielerisch, aber auch, da es komplett in 2D realisiert wurde. Und genau jener Spur folgt man auch mit dem nächsten Adventure des Hamburger Publishers - A New Beginning. Im Gegensatz zum melancholisch-tragikomischen Abenteuer Sadwicks oder dem skurrilen Ausbruch Ednas aus der Anstalt, widmet sich A New Beginning jedoch einem ernsteren Thema: Dem Klimawandel. Ob Jan Müller-Michaelis und Co. auch fernab der humorvollen Unterhaltung überzeugende Point-and-Click-Kost schaffen können, haben wir uns anhand einer umfangreichen Anspielversion angesehen, die mit den Kapiteln 1-5 rund die Hälfte des Abenteuers umfassen soll.

Nach dem Tod seiner Frau<br>ist Bent Svensson nicht mehr der alte...

Vom Ende der Welt

Bent Svensson lebt zurückgezogen in den Wäldern Norwegens. Früher hat der Wissenschaftler intensiv Algen erforscht und gezüchtet, die ein erstaunlich hohes Maß an Energie in sich tragen. Sein Ziel war es, die von ihm entdeckte Blaualge zum Energieträger der Zukunft zu machen, der auf längere Sicht Kohle- und Atomkraft ersetzen und so den Klimawandel aufhalten könnte.
Die Ambitionen des Weltverbesserers endeten jedoch jäh als seine Frau Meta starb, die ihm ihre schwere Krankheit verschwiegen hatte. Bent macht sich deshalb große Vorwürfe und zieht es vor, möglichst weit weg von der Zivilisation zu leben. Lediglich ein paar Fotos an den Wänden seiner Hütte und die verstaubten Aktenschränke im Keller erinnern noch an die Zeit, in der ihm nichts wichtiger war als das Wohl des Planeten und der Lebewesen, die ihn bewohnen.
Er hat selten Besuch und mit diesem hätte er wohl nie gerechnet, als plötzlich eine junge Frau in ihrem etwas eigentümlichen Outfit vor ihm steht. Ihr Name ist Fay und ihre Geschichte klingt für Bent wie an den Haaren herbeigezogen. Die Funkerin berichtet dem desillusionierten Wissenschaftler nämlich etwas von einer Zeitreise und dem Klimakollaps, der bereits in rund 40 Jahren erfolgen soll. Nur mithilfe von Bents Entdeckung soll der Planet noch zu retten sein.
...und lebt zurückgezogen irgendwo in Norwegen.

Unser Schicksal entscheidet sich... heute

Der Einstieg in die Handlung beginnt mit einem Blick auf die Zeitexpedition, zu der auch Fay gehört, bevor wir im ersten Spielabschnitt in der norwegischen Einöde bei Bent landen, der uns bei Bedarf in sehr aufschlussreichen Kommentaren von seinem Lebenswandel und seinem persönlichen Schicksalsschlag erzählt. Nachdem Fay bei ihm auftaucht und ihm von ihrer Odyssee durch die Zeit und der Wichtigkeit seiner Erfindung für den Fortbestand des Planeten, wie er ihn kennt, berichtet, schlüpfen wir in die Rolle der idealistischen Funkerin. Auch in diesem Spielabschnitt steht vor allem das Kennenlernen der einzelnen Charaktere im Vordergrund, zugleich wird dem Spieler aber das Szenario anschaulich vor Augen geführt, in dem die Welt bereits im Jahre 2050 massiv unter dem Klimawandel gelitten hat. Die Pole sind geschmolzen, San Francisco ist überflutet. In Europa toben zerstörerische Stürme, während in anderen Teilen der Welt die Wüstenbildung rasant zugenommen hat.
Hin und wieder eingestreute Konversationen aus der Gegenwart zwischen Fay und Bent verknüpfen das Ganze lebendig und lassen neben allen spielerischen Inhalten immer die Geschichte im Vordergrund stehen. Der zentrale Plot und die wichtigsten Figuren werden nicht bloß oberflächlich abgehandelt. Sowohl Haupt- und Nebenhandlung als auch die daran geknüpfte Charakterentwicklung ist glaubwürdig umgesetzt. Bents Sohn beispielsweise, der etwas widerwillig in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist, oder Fays Verhältnis zu ihrem scheinbar skrupellosen Vorgesetzten Salvador sind stets für die Rahmenhandlung relevant und sind immer wieder Anlass für den Spieler und die Spielfiguren selbst, ihre Ansichten und Motive zu überdenken. Dabei spart das Spiel auch nicht an spannenden oder dramatischen Momenten, die meistens in Form von Comic-Strip-artigen Zwischensequenzen gezeigt werden, in die der Spieler immer wieder mal über Multiple-Choice-Dialoge direkt eingreifen muss.
Das Grundkonzept ist vielleicht nicht audiovisuell beeindruckend, aber atmosphärisch und dem ernsten Thema angemessen umgesetzt. Erzählerisch gehört das Spiel bislang zweifellos zu den besseren Adventures. Woran es ihm noch etwas mangelt, ist der Feinschliff in Sachen Story-Präsentation. In einzelnen Zwischensequenzen sind lediglich die Stimmen und keinerlei Effekte oder Musik zu hören. Deshalb hält sich die Dynamik noch eher in Grenzen und die Wirkung des Inhalts kommt nicht voll zur Geltung. Und dennoch gelingt es ihnen bereits, Atmosphäre zu erzeugen, was viel für das fertige Spiel erhoffen lässt.
Die Comic-Strip-artigen Zwischensequenzen passen gut zur erwachsenen Geschichte.

Die gezeichnete Welt

Rein optisch ist A New Beginning kein absoluter Leckerbissen wie The Whispered World, zumindest, wenn man kein 2D-Fanatiker ist. Gemessen am bisher zu erahnenden Umfang aber ist das Spiel, insbesondere die insgesamt rund 100 Hintergründe, sehr ansehnlich umgesetzt. Mit San Francisco im Jahr 2050, der kleinen Location in Norwegen, an Bord eines Hubschraubers, als Teilnehmer einer Klimakonferenz und als Besucher auf einer großen Forschungsinsel bietet das Spiel eine abwechslungsreiche Schauplatzauswahl, die schon zu diesem Punkt den Umfang so manch anderen Adventures übertrumpft. Die Spielfiguren könnten sicherlich in manchen Situation noch die eine oder andere Bewegungsphase mehr vertragen, denn noch wirken manche der Animationen etwas abgehackt oder hektisch, die eine oder andere weitere Hintergrundanimation wäre auch nicht verkehrt, am insgesamt stimmigen Gesamtbild ändert das aber bislang wenig.

Schweigen ist feige, Reden ist Gold

Unsere Vorschauversion verfügt bereits über eine vollständige Sprachausgabe. Die beiden Hauptfiguren, Bent und Fay, sind sehr gut getroffen, was auch für die meisten anderen Sprecher gilt. Diesbezüglich sollte man sich keine Sorgen machen müssen. Ebenfalls viel versprechend ist die Musik von periscope Studio Hamburg, die bereits für die Musik in The Whispered World verantwortlich zeichneten, und Komponist Daniel Pharos.
2050: Die Klimakatatrophe ist längst Wirklichkeit.<br>Fay muss weiter zurück in die Vergangenheit.Einzelnen Szenen und ganz besonders den Zwischensequenzen merkt man an, dass das Spiel noch in der Entwicklung ist. Teilweise ist dort lediglich der Dialogtext zu hören, der dadurch natürlich "studiomäßig" separiert klingt. Da die Szenen aber bereits so ihre Wirkung nicht verfehlen, darf man gespannt sein, wie sich das Endergebnis anhört.

Rätsel

A New Beginning legt den Fokus offenbar noch deutlich stärker als The Whispered World auf die Geschichte. Während in Sadwicks Abenteuer noch eine ganze Fülle von teilweise recht anspruchsvollen Rätseln gelöst werden mussten, verzichtet der "Öko-Thriller" bisher weitestgehend auf allzu komplexe oder komplizierte Aufgaben. Aber keine Angst, A New Beginning ist kein 15 Days. Rätsel und unterschiedliche Rätseltypen gibt es mehr als genug, nur gerät davon kaum eines unter den Verdacht, als künstlicher Spielzeitstrecker zu fungieren. Wir hoffen, dass das bis zum Release auch so bleibt, denn das Verhältnis von Inhalt und Rätseln erscheint in der Preview-Version nahezu optimal.
Die Vielfalt ist dabei sogar recht groß. Neben Inventar- und Kombinationsrätseln sind uns auch mehrere Minispiele begegnet, bei denen wir zum Beispiel ein relativ kompliziertes Schalterrätsel lösen müssen, das man bei Bedarf nach einer kurzen Zeit auch einfach überspringen kann. Wer schon immer Spaß an echten Dialogrätseln hatte, der kommt auch in A New Beginning auf seine Kosten.
Die eine oder andere seltsame Inventaraktion bzw. -kombination ist zwar dabei, aber nichts, was den Spieler vor ernsthafte Probleme stellen könnte, zumal es wenigstens genauso viele sehr clever designete und stets nachvollziehbare Rätsel zu lösen gilt.

Ausblick

A New Beginning ist auf einem sehr guten Weg. Story, Charaktere und Dialoge hinterlassen einen großartigen Eindruck, die Optik ist insgesamt ebenfalls ansprechend - wer 2D-Adventures liebt, der wird das Spiel sowieso mögen. Die Rätsel sind abwechslungsreich und vor allem überwiegend sinnvoll in die Handlung integriert. Wenn Daedalic die teilweise noch recht unfertige Soundkulisse mit passender Musik und schönen Effekten gut hinbekommt, keine überflüssigen Zusatzrätsel einbaut und die Story nicht später deutlich abbaut, dann muss man zuversichtlich sein, dass Daedalic das Niveau von The Whispered World insgesamt halten können wird und sich in mancher Hinsicht vielleicht sogar etwas steigern kann.
Viel Zeit bis zum geplanten Release im Oktober bleibt nicht mehr und es ist noch viel zu tun, um alle Ecken und Kanten abzuschleifen. Vor allem trüben noch ein paar Skriptingfehler und zahlreiche kleinere und größere Bugs, die besonders in späteren Kapiteln bei uns noch häufiger zu Abstürzen führten, den ansonsten so viel versprechenden Eindruck. Wir hoffen, dass Daedalic sich die Zeit nimmt, die dafür benötigt wird, auch dann, wenn sich die Veröffentlichung dadurch noch etwas verzögern sollte. Denn das Spiel hat das Zeug zum Hit.

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Sieht gut aus