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Test

von  feuer
17.11.2003
Baphomets Fluch 3 - Der schlafende Drache
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch
86%

Die Zeit für Trilogien

Aller guten Dinge sind bekanntermaßen drei. Die Matrix, der Herr der Ringe... und nun also auch Baphomets Fluch, das Vorzeige-Spiel der britischen Entwickler Revolution Software. Lange mussten sich die Fans der Reihe auf den letzten Teil der Trilogie gedulden, aber jetzt ist es endlich wieder so weit. Auf ein Neues muss in Baphomets Fluch - Der schlafende Drache die Welt vor dunklen Verschwörungen und Machenschaften gerettet werden.

Das Herz eines Adventures

Wie man es von den Revolution Software gewöhnt ist, gehört die Hintergrundgeschichte zum Allerfeinsten, was des Genre zu bieten hat. Wieder einmal liegt es an George Stobbart und Nico Collard (die immer noch ohne ein fransössische Akzent schpricht) zusammen eine sich anbahnende Katastrophe aufzuhalten. Aus einem Routine-Flug in den Kongo, wo George als Patent-Anwalt einen Wissenschaftler treffen soll der eine Maschine entwickelte, die grenzenlos Energie produzieren kann, wird ein Abenteuer auf Leben und Tod. Auch für Nico, die in Paris für ihre Zeitung an einer Story über einen Hacker arbeiten soll, geht es gleich ordentlich zur Sache. Sie stolpert mitten in einen Mord hinein, für den auch noch sie von den Nachbarn und der Polizei verantwortlich gemacht wird! Und all das passiert während auf der ganzen Welt seltsame Wetterphänomene wie Wirbelstürme, Überschwemmungen und Vulkanausbrüche zu beobachten sind - Zufall?

Über den weiteren Ablauf sei nicht zu viel verraten, denn die Geschichte gehört wirklich zu den Perlen bei diesem Spiel. Die Beziehung zwischen den beiden Hauptdarstellern George und Nico wird gekonnt in die Geschichte eingewoben und mit viel Witz und Andeutungen weitergesponnen. Anfangs scheinen die Abenteuer der zwei in keinerlei Beziehung zueinander zu stehen, erst nach einer Weile werden beide Stränge zusammengeführt - in einer im wahrsten Sinne des Wortes bühnenreifen Art und Weise, die zweifelsohne zu den Höhepunkten des Spieles gehört...

Im weiteren Verlauf ihrer Ermittlungen werden die zwei Turteltauben (oder Streithähne) George und Nico dann gemeinsam gegen die skrupellose Mörderin Petra und den geheimnisvollen Susarro kämpfen, um sie von ihrem größenwahnsinnigen Plan, die Welt zu beherrschen, abzuhalten. Mit fortschreitender Geschichte besuchen die beiden einige bereits bekannte Orte und treffen alte Bekannte aus den ersten beiden Teilen - gute wie böse - und decken das Geheimnis einer alten Kultur und mächtigen Zivilisation auf.

Bei der Geschichte und Atmosphäre verließ sich das Team um Charles Cecil also auf die gewohnten Stärken - detailreiche Hintergrundinformationen, geschichtlicher Tiefgang, gut ausgedachter Handlungsverlauf, überraschende Kehrtwendungen, Intrigen und viel Action und Spannung... Baphomets Fluch - Der schlafende Drache fühlt sich zeitweise wie ein Kinofilm an, rasante Kamerafahrten, spektakuläre Einstellungen, Nahaufnahmen von Charakteren und profesionelle Sprecher... da kommt Stimmung auf. Durch die Musik wird die Spannung noch erhöht, die Geschichte fesselt von der ersten Sekunde an und lässt einen bis zum Ende nicht mehr los. Der typische und lieb gewonnene trockene Humor der ersten beiden Teile hat es ebenfalls unbeschadet in den dritten Teil geschafft. Vor allem die Unterhaltungen zwischen George und Nico sprühen nur so vor Neckereien, zweideutigen Anspielungen und unterschwelligen Unterstellungen.

Die dritte Dimension hat auch die Templer erreicht

Wie bereits erwähnt sind aller guten Dinge drei. Das dachten sich die Revolution Software wohl auch für die Grafik und versetzten das ganze Spiel in die 3. Dimension. Keine vorgezeichneten 2D-Hintergründe und Comic-Zwischensequenzen mehr, sondern komplette 3D-Umgebungen und Charaktere. Wie haben unsere Helden George und Nico diesen Wechsel überstanden?

Die neue Umgebung hinterlässt einen unterschiedlichen Eindruck. Einerseits sind vor allem Gebäude und Innenräume mit viel Liebe zum Detail schön ausmodelliert und wissen zu überzeugen. Auch die Charaktere selber gefallen sehr gut (vor allem Nico...). Sie haben ein großes Repertoire an Mimiken, Bewegungen und Aktionen, was sie sehr lebensecht wirken lässt. Die zahlreichen Licht- und Schatteneffekte sind ebenfalls sehr überzeugend ins Szene gesetzt worden, kein 2D-Spiel hätte das je so hinbekommen.

Das 3D-Grafik aber ein zweischneidiges Schwert ist, lässt sich vor allem in den Außenarealen beobachten, die sehr steril und leblos wirken. Vor allem tummeln sich zeitweise auch zu wenig Leute auf den Straßen, einzelne Schauplätze wirken oftmals wie Geisterstädte.

Dazu kommt noch die Tatsache, dass 3D-Engines wohl nie Dinge wie Blumen, Blätter, Rauch oder Feuer darstellen können. All das sieht kantig, abgehackt und detailarm aus. Die Explosion des Cafes im ersten Teil sieht weit besser aus als alles vergleichbares im dritten.

Adventure, 3D-Adventure oder Action-Adventure?

Um die wohl wichtigste Frage der Adventure-Fans zu beantworten: Baphomets Fluch - Der schlafende Drache ist ein Adventure durch und durch!

Die Action-Sequenzen, von denen es etwa eine Handvoll während des ganzen Spieles gibt, sind überlegt platziert und bringen einen Moment der Dynamik in das Spielgeschehen, die es bisher bei noch keinem Adventure gegeben hat. Dabei ist immer genau vorgegeben, was zu tun ist. Der Spieler bekommt kurz durch ein aufleuchtendes Icon den Hinweis, welche Aktion die richtige ist... es kommt darauf an, schnell zu reagieren, bevor es zu spät ist. Also eigentlich nicht mehr als ein Rätsel mit Zeitdruck. Dieser hat es allerdings in sich. Manchmal hat man nur Bruchteile von Sekunden Zeit, bevor es zu spät ist, und man ist einen Abhang hinuntergestürzt, vom Auto überfahren oder erschossen worden. Aber, und das ist eine willkommene Verbesserung gegenüber den ersten beiden Teilen, das Spiel setzt einen unmittelbar vor der jeweiligen Szene wieder ins Geschehen. Man muss sich also keinerlei Sorgen machen, ob man das Spiel vor dem Ableben gespeichert hat oder nicht.

Die Maus bleibt in ihrem Loch

Gleich vorweg: In Sachen 3D-Adventures lässt die Steuerung halbwegs vergleichbare Spiele wie Monkey Island 4 und Grim Fandango hinter sich, dennoch gibt es viele ärgerliche Details.

Die Interaktionstasten sind immer im unteren rechten Eck des Bildschirmes angeordnet. Sie sind den Aktionstasten eines Gamepads nachempfunden, für die Tastatursteuerung ergibt sich aber kein großer Unterschied. Kommt die Spielfigur an wichtigen Gegenständen oder an Personen vorbei, leuchtet an dieser Stelle ein kleines Sternchen auf. Gibt es mehrere Gegenstände auf engem Raum, kann bequem hin und her geschalten werden.

Die Interaktionsmöglichkeiten haben sich seit dem letzten Teil drastisch erhöht. Anstatt nur zu "Nehmen", zu "Reden" oder zu "Benutzen" kann der Spieler nun sehen, hören, nehmen, benutzen, spähen, lauschen, schieben, etc.

Leider wurde dies nur unzureichend ausgenützt, meistens hört man dann nur ein "Ich kann nichts hören" oder "Diese Tür lässt sich nicht öffnen". Wenn in Paris von ungefähr 30 Türen vielleicht eine aufgemacht werden kann ist dies mit der Zeit sehr nervtötend, vor allem auch weil es im Spiel nicht möglich ist, Gespräche oder Kommentare abzubrechen. Eigentlich ein blutiger Anfängerfehler - warum Revolution ihn dennoch begeht, entzieht sich der Kenntnis dieses Autors.

Das Inventar wird per Knopfdruck im linken oberen Eck eingeblendet, durch das man sich wie in Monkey Island 4 bewegen kann. Die optische Aufmachung des Inventars ist sehr schön gelungen, dort ist das Inventar für alle Nostalgiker noch in 2D...

Gespräche mit anderen Charakteren verlaufen nach dem gleichen Muster wie eh und je... Es gibt verschiedene Symbole, die für die möglichen Gesprächsthemen zur Auswahl stehen. Die Unterhaltungen laufen also im bewährten Multiple-Choice-Verfahren ab. Die Gespräche sind aber deutlich kürzer ausgefallen als noch in den ersten beiden Teilen. Wohl ein weiterer Kompromiss, den die Entwickler glaubten machen zu müssen für eine größere Fangemeinde.

Wirklich frustrierend wird die Steuerung aber erst beim Manövrieren der Spielfiguren. Die Bewegungen sind kamerafixiert, ich habe meinen Charakter daher oft, vor allem nach einem Wechsel der Kameraposition, in die falschen Richtungen bzw. in eine Wand rennen lassen, auch noch gegen Ende des Spiels. Anders als selbst bei älteren Spielen wie Grim Fandango kann nicht zwischen einer kamerafixierten und einer an der Spielfigur ausgerichteten Steuerung wechseln, was wieder einer dieser unverständlichen Detailfehler ist, die den Revolution Software eigentlich nicht hätte passieren dürfen. Mit einem Gamepad lässt sich das alles etwas leichter meistern als mit der Tastatur.

Kombinieren oder Probieren?

Die Rätselkost in Baphomets Fluch - Der schlafende Drache ist überraschend leicht zu verdauen im Vergleich zu den Vorgängern. Für erfahrende Adventure-Spieler ist die Schlussszene nach 10-12 Stunden Spieldauer erreicht, so schnell war man seit Vollgas nicht mehr durch (Vandell mal nicht gerechnet). Das mag zwar dem Ziel der Entwickler dienen, das Adventure als Genre wieder einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Es wird aber für diejenigen, die harte und knackige Rätsel lieben, eine Enttäuschung sein.

Von der Leichtigkeit einmal abgesehen, hat sich Revolution Softwareaber Mühe gegeben, die Aufgaben in die Geschichte einzubetten und auf Abwechslung und Vielfältigkeit geachtet.

Einfache Rätsel zum Öffnen von Türen wechseln sich mit Inventar-Rätseln und komplexen Kombinationsaufgaben ab. Für neue Informationen sind auch die Gespräche mit den anderen Charakteren ein zentraler Punkt. Maschinenrätsel a la Myst sind ebenfalls eingebaut worden, allerdings eher die der einfacheren Sorte. Das Spiel zollt auch Hommage an eines seiner großen Vorbilder, Indiana Jones. Ein Rätsel ist fast direkt aus dem Film Indiana Jones und der letzte Kreuzzug übernommen worden.

Durch den Umstieg in die 3. Dimension wurden auch eine Reihe von ganz neuen Rätseln möglich, die es im klassischen Point-and-Click Adventure nicht geben könnte - Schleich- bzw. Kletteraufgaben sowie "Kisten-Rätsel". Bei letzterem muss der Spieler eine variable Anzahl von Kisten passend schieben, zerren oder drücken, um eine Tür freizulegen, eine Mauer hochzukommen oder einen Gegenstand zu erreichen. An und für sich recht interessant, aber ärgerlicherweise kommt diese Art von Rätsel viel zu oft vor und nach einiger Zeit werden sie sehr eintönig. Es stellt sich die Frage, ob sich die Revolution Software da vielleicht nicht besser klassische Rätsel überlegt hätten.

Einen durch und durch positiven Eindruck hingegen erweckten die Schleich- und Kletterszenen. Das Herumspringen im Kongo hat zwar in den diversen Vorschau-Videos viele an Tomb Raider erinnert, aber so ist es bestimmt nicht. Erstens kann man nicht aufgrund einer Unvorsichtigkeit sterben, zweitens sind diese Aufgaben spannend inszeniert und nie Selbstzweck. An der Wand entlang schleichen und hangeln ist vor allem im Schloss in Prag mit seinen filmreichen Kameraeinstellungen- und Fahrten wirklich ein Erlebnis. Die Schleichszenen, in denen man sich immer an diversen Wachen vorbeischummeln muss, sind ebenfalls überzeugend inszeniert, durch die Vogelperspektive wird immer ein guter Überblick vermittelt und Spannung erzeugt. Zeitweise kommt man sich vor wie in In Cold Blood, dem letzten Spiel von den Revolution Software.

Musikalisches Fest - als Kurzauftritt

Die Musik und Sounduntermalung weiß ebenfalls ein weiteres Mal zu überzeugen... dezente Hintergrundmusik wechselt sich in den Actioneinlagen mit adrenalinfördernden Elektrobeats oder dramatischen Orchesterklängen ab, die Soundeffekte sind umfangreich und detailverliebt ausgefallen und die Lokalisation ist auch wieder sehr gelungen. Für Fans der Serie wurde bei den Hauptdarstellern wieder auf die gleichen Sprecher zurückgegriffen, die schon in den Vorgängern eine sehr gute Arbeit abgeliefert hatten. Schade nur, dass die Musik phasenweise recht spärlich eingesetzt wird, in diesem Fälle wäre durchaus "mehr" mehr gewesen.

Und da war noch...

Zwar nur ein Detail am Rande, aber die verfügbaren Zusatzinformationen zum Spiel haben mir sehr gut gefallen. Es gibt eine Kurzzusammenfassung der ersten beiden Teile für Neueinsteiger sowie Hintergrundinformationen zu den wichtigsten Details der Geschichte. Als kleine Belohnung gibt es am Ende des Spiels einige Skizzen, Artworks und Designstudien.

Fazit

Baphomets Fluch - Der schlafende Drache von den Revolution Software hinterlässt einen etwas durchmischten Eindruck. Auf der einen Seite stehen viele positive Aspekte und man sieht ganz klar, dass die Leute aus England ihr Handwerk verstehen. Die Geschichte und die erzeugte Atmosphäre sind mal wieder tadellos und suchen ihres gleichen. Die Musik und auch teilweise die Grafik unterstreichen diese Stärken gekonnt. Auf der anderen Seite hinkt die 3D-Grafik der alten 2D-Umgebung in einigen Sachen doch hinterher, die Steuerung der Charaktere ist mehr als durchwachsen, und die überzogene Anzahl an Kisten-Rätseln und die allzu kurze Spieldauer trüben den Spielspaß doch. Dennoch möchte ich den Entwicklern Respekt zollen, trotz der ganzen neuen Technik haben sie nicht auf ihre alten Qualitäten vergessen und uns mit einem absoluten Top-Spiel versorgt.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Baphomets Fluch - Der schlafende Drache ist wie ein guter Kinofilm. Rasante Action, spannende Geschichte, interessante Hauptdarsteller, atemberaubende Kamerafahrten. Mehr als einmal hält man vor Aufregung den Atem an, man leidet mit den Helden mit, möchte mehr herausfinden. Dann auf einmal gehen die Lichter wieder an, der Abspann rollt, das wars schon. Um das Spiel einer größeren Spielergemeinde zugänglich zu machen, wurde auf zu schwere Rätsel verzichtet, was alte Fans des Genres schmerzen wird. Dennoch ist das Spiel das beste Adventure seit langem, auch die Schwachpunkte ändern nichts daran, dass die Entwickler tolle Geschichten erzählen können und Meister ihres Faches sind - unabhängig, ob einem jetzt die neue Steuerung oder Grafik gefällt oder nicht!

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • packende Geschichte
  • hohe und dichte Atmosphäre
  • tolle Charakter-Animationen
  • teilweise schöne 3D-Grafiken
  • spannende Action-Sequenzen
  • stimmungsvolle Musik
  • abwechslungsreiche Schauplätze
  • Nico
  • 3D-Grafik teils sehr detailarm
  • Rätsel sind zu einfach
  • zu viel Kisten-Schieberei
  • kurze Spieldauer