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Test

von  Creedy
29.12.2003
Midnight Nowhere
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Zum Ausklang des Jahres findet ein weiteres Adventure den Weg in unsere Testarea: „Midnight Nowhere“ vom russischen Softwarehaus Saturn + (bisher durch eher weniger spektakuläre Spiele wie die Petka-Reihe und „Jazz und Faust“ bekannt). Vermarktet wird das Spiel in deutschen Landen von Data Becker, doch über diese Misere später mehr.

Der Serienkiller geht um

Die Stadt Black Lake im Jahre 2019: Ein verrückter Serienkiller versetzt die ganze Kleinstadt in Aufruhr. Wahllos veranstaltet er ein Gemetzel, dem täglich immer mehr Menschen zum Opfer fallen. Polizei und Militär scheinen machtlos gegen das Phantom, das noch keiner zu Gesicht bekommen (und dies überlebt) hat. Um die Situation in den Griff zu bekommen, errichten die Ordnungshüter eine Mauer um die ganze Stadt und die Einwohner werden nacheinander evakuiert. In all diesem Trubel wacht ein stämmiger Typ in einer Leichenhalle auf und hat keine Ahnung, wer er ist und was er überhaupt vorhatte. Und schon sind wir mitten im Spiel. Ein paar Mausklicks weiter wird schnell klar, dass er vermutlich dem eben genannten Serienkiller auf der Spur war. Doch was ist seine wahre Identität: Opfer, Jäger oder sogar selbst der Killer?

Die komplette erste Hälfte des Spiel wird in einem einem düsteren, verlassenen Krankenhaus ermittelt. Hier darf man sich durch drei Stockwerke „rätseln“. Hat man endlich einen Weg gefunden, das Haus zu verlassen, wird man im zweiten Teil des Spiels in ein nicht weniger schauderhaftes Polizeirevier verfrachtet. Hier erwartet einen dann nach ca 15-20 Stunden Spielzeit die Wahrheit über Mörder und Identität.

Der Herr der Schlüssel

Die Rätsel in Midnight Nowhere könnten verschiedener nicht sein. Im ersten Teil des Spieles geht man weitestgehend auf Schlüsselsuche. Kann man zu Beginn nur einige der vielen Räume betreten, gilt es, in diesen einen Schlüssel für einen anderen Raum zu finden. Ist dieser geöffnet, verbirgt sich dort irgendwo wiederum ein weiterer Schlüssel usw. Das frustet, allerdings weiss man auch immer, nach was man überhaupt sucht. Um die Sache etwas aufzulockern, findet man auch Zahlencodes um entsprechende Türen öffnen. Im weiteren Verlauf des Spiel nimmt die Schlüsselsuche allerdings ab und es folgt typische Adventure-Kost. Sammeln und benutzen. Gegenstände im Inventar lassen sich miteinander verwenden um so neue skurrile Werkzeuge zu erschaffen. Teils sind diese weit hergeholt, teils sehr logisch. Zu oft hat man das Gefühl, dass einem ein Rätsel erst logisch erscheint wenn man es gelöst hat. In der Mitte des Spiels gibt es einige scheinbar fiese Rätsel, die man allerdings durch reines raten lösen kann (Denkfragen mit 5 Antwortmöglichkeiten). Weiter geht’s dann mit der Passwortsuche. Mehrere Computer warten nur darauf mit Passwörtern, die nicht immer offensichtlich sind, geknackt zu werden. Hier muss entweder mal wieder ein zuvor entdecktes Passwort herhalten oder der Spieler muss sogar ein wenig kombinieren. Dieser Teil hat mir sehr gut gefallen: Man muss die Gewohnheiten diverser Leute studieren, um so an ihr Passwort zu gelangen.

Was bis jetzt noch nicht angesprochen wurde, ist der äußerst eigenwillige Humor des Spiels. Hier wird nämlich mit Leichen und Blut nicht gegeizt. In fast jedem zweiten Raum findet man einen verstümmelten, blutüberströmten Körper. Und diese sind nicht unwichtig. Nicht nur einmal gilt es, diverse Körperteile abzutrennen um an begehrte Objekte zu gelangen. Ob nun ein Daumen oder gleich ein ganzer Kopf, unser Held kennt keine Skrupel und serviert uns solche Szenen noch mit einem makaberen Spruch. Generell scheint unser Protagonist ein wahrer Spaßvogel zu sein, allerdings konnte ich in noch keinem seiner ironischen Kommentare einen Funken Wortwitz erkennen. Vielleicht liegt es allerdings auch an der schlechten Lokalisation, auf die noch später eingegangen wird. Trotz der vielen Leichen und Blut ist unser Held allerdings außer Gefahr. Deadends und Sackgassen gibt es nämlich nicht.

Schaurig schöne (Hintergrund-)Grafik

Die Grafik des Grusel-Adventures kann sich durchaus sehen lassen. Die Hintergründe sind sehr detailreich und realitätsnah gerendert und vermitteln eine beklemmende Stimmung. Hier hätten allerdings ein paar mehr Animationen nicht geschadet Über diese schmucken Hintergründe läuft unser 3D-Held, der ein paar Polygone mehr hätte vertragen können. Dennoch passt er sich recht gut in den gesamten Look des Spiel ein. Das er manchmal über den Boden zu schweben scheint, nimmt man schnell als selbstverständlich an und stört sich auch nicht weiter daran. Die Bewegungen unseres russischen Freunden wirken zwar anfangs recht hölzern, aber mit der Zeit gewöhnt man sich schließlich an alles. Charakter-Animationen sind ebenfalls rar gesät, aber auch nicht immer notwendig. Besonders vorzuheben sind die vielen, versteckten Gags und Hinweise, die man wirklich überall findet. Hier kann alles in einer Nahaufnahme betrachtet werden. Ob Poster (mit und ohne nackte Frauen), Videokassetten, Terminkalender, ganze Bücher, überall findet man mehr oder weniger witzige Comics mit entsprechenden Sprüchen. Meist sind dies Werbeposter nach der Machart („Sie haben eine Nacht mit einer heißen Biene verbracht und machen sich jetzt Sorgen um AIDS und dergleichen? Dann bestellen sie beim nächsten Mal lieber gleich eine unserer Krankenschwestern, die sie mit ihren Latexhandschuhen rundum verwöhnen wird“). All diese Spielunrelevanten Grafiken wurden ebenfalls aufwändig ins Deutsche übertragen, so dass im Spiel fast nirgendwo eine nicht-deutsche Textpassage zu finden ist.

Die Maus machts

Die Steuerung des Spiel mag zu Beginn verwirren, aber mit der Zeit findet man auch hier Zugang zu dem, teilweise unverständlich komplizierten, Bediensystem. Direkte Entwarnung an alle 3D-Skeptiker. Obwohl sich unser Polygon-Held wie Manny Calavera über gerenderte Hintergründe bewegt, wird er im kompletten Spiel mit der Maus gesteuert. Die Tastatur dient lediglich der Eingabe von Passwörtern. Mit einem simplen Mausklick setzt er sich zum Zielort in Bewegung. Über interessanten Objekten erscheint eine der empfohlenen Aktionen (Schaue, Nimm, Rede, Benutze). Diese Aktionen kann man auch selbst durch kleine Icons in der oberen Bildschirmecke auswählen. Unverständlich ist, dass manche Objekte nur mit dem passenden Cursor anwählbar sind. So übersieht man leicht kleine Details und Gegenstände.

Mit einem Klick auf die rechte Maustaste wird das Inventar geöffnet. Hier kann man Gegenstände untersuchen, nehmen und miteinander kombinieren. Im späteren Verlauf des Spiel erhält man zusätzlich eine Art Palmtop, in den wichtige Zahlen und Daten gespeichert werden. Schade, dass man dieses Feature erst recht spät bekommt, denn ohne zusätzliches Schmierblatt am Computer verliert man am Anfang leicht die Übersicht über die ganzen Pass- und Zugangscodes.

"Entschuldigung, kann hier jemand Russisch?!"

Der wohl größte Kritikpunkt, der dieses Spiel auch den Zugang zu einer deutlich höheren Wertung kostet, ist die deutsche Lokalisation. In meiner ganzen Adventure-„Karriere“ ist mir noch nie so eine schlampige Übersetzung in die Finger geraten. Hier haben wohl die Übersetzer von Data Becker ein Babelfish-ähnliches Übersetzerprogramm über die Programmzeilen laufen gelassen und diese Sätze dann ohne weitere Gedankengänge direkt ins Spiel übernommen. An vielen Stellen steht man wie ein Ochs vorm Berg, weil man nicht einmal erraten kann, was der Charakter von einem will bzw. was er da gerade entdeckt hat (Beim Versuch, eine verschlossene Tür zu öffnen: „Eine starke Schnur und ziemlich fest angebunden“ statt „Die Tür ist von innen mit einer fest angebunden Schnur verschlossen“). Besonders am Anfang kommt daher Frust auf. Im späteren Verlauf nimmt dies allerdings ab und die Dialoge (eher Monologe) werden verständlicher. Unverständlich dagegen, wieso die Synchronsprecher (die im übrigen mit einer Begeisterung eines Maulesels ihre Zeilen runterlullen) auch grammatikalisch falsche Sätze reden. Hier wurde wahrscheinlich kräftig eingespart.

Die Musik hingegen erfüllt ihren Zweck und hebt die düstere Atmosphäre mit Streichern und Gänsehautmelodien hervor. Trotzdem hält sie sich dezent im Hintergrund und geht einem nicht auf die Nerven.

Es hätte so schön werden können...

...aber es gibt einfach zu viele kleinere und einen großen Kritikpunkte.

Story und Atmosphäre überzeugen auf ganzer Linie. Das Durchforsten des verfallenen Krankenhauses könnte ebenso in einem Actionspiel a la Resident Evil zu finden sein und verbreitet bei entsprechender Beleuchtung Gänsehausstimmung. Die Rätsel sind nicht zu schwer und motivieren. Im Laufe der Story erfährt man immer mehr über sich selbst und über den Serienkiller. Das erzeugt Spannung.

Aber diverse Darstellungsfehler, Umständlichkeiten bei der Bedienung und vor allem die verkorkste Lokalisation schieben das Spiel leider in die mittleren Wertungsregionen.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Midnight Nowhere ist mit Sicherheit kein Top-Adventure, dennoch gehört zum oberen Mittelfeld von dem, was uns die Adventurewelt im Jahr 2003 beschert hat. Wer einen Lückenfüller bis zum nächsten Blockbuster braucht und sich gerne auch mal gruselt (auch vor der deutschen Lokalisation) sollte zugreifen. Wer tiefgreifende Puzzles und Gags am laufenden Band sucht, sollte sich lieber anderweitig umsehen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • gruselige Atmosphäre
  • interessante Story
  • miese Lokalisation
  • kleine Grafikfehler
  • Charakter-Animationen