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Test

von  Sascha "nufafitc" Pongratz
05.12.2009
Ghost Pirates of Vooju Island
Getestet auf Windows, Sprache Deutsch

Das am 6. November 2009 erschienene Ghost Pirates of Vooju Island ist das zweite Spiel der Entwicklerfirma Autumn Moon Entertainment unter der Leitung von Bill Tiller, der schon für A Vampyre Story verantwortlich zeichnete. Dieses Mal verschlägt es den Spieler mitten in die Karibik. Ob der Titel einem Monkey Island das Wasser reichen kann, erfahrt ihr in diesem Test.

Tief in der Karibik... werden dich drei Geister besuchen

Ein Piratensong als musikalischer Einstieg setzt den Grundton der humorvollen Geschichte, die auf Vooju Island beginnt und sich dann auf die See und benachbarte Inseln ausdehnt. Ausgangspunkt für das Abenteuer ist der Angriff des bösen Piraten Green Beard, der das friedliche Inselleben mithilfe seiner Zombie-Mannschaft stört. Besonders hart trifft es die drei Protagonisten Papa Doc, Jane Starling und Blue Belly, die durch einen Vooju-Fluch von Docs Ex-Frau Zimbi in Geister verwandelt werden. Im Laufe der Story müssen sie nun ihre Körper wiederbekommen und Green Beard mit seinen Komplizen davon abhalten, die Karibik für sich in Anspruch zu nehmen.

Doc, Jane und Bluebelly in einer lebensgefährlichen Situation.

Geistreiches Kommunizieren

Die Rolle der Toten zu übernehmen ist eine originelle Idee, da es den drei Protagonisten nicht möglich ist, sich mit den Lebenden zu unterhalten und sie weder gesehen noch gehört werden können. Trotzdem sind die Helden in der Lage, Gegenstände aufzunehmen, zu kombinieren und mit der Umgebung zu benutzen.

Die Charaktere haben die Möglichkeit, telepathisch miteinander in Verbindung zu treten und jederzeit in den Geisterkörper des anderen zu springen, um ihm mit ihren Fähigkeiten zu helfen.

Jane Starling findet zum Beispiel eine Tafel mit Vooju-Schriften, die sie selbst nicht lesen kann. Dazu übernimmt Papa Doc für kurze Zeit ihren Körper und übersetzt für sie. Ein anderes Mal steht Blue Belly vor einem Gitterschrank, der mit einem Schloss gesichert ist. Da er sich damit nicht auskennt, springt Jane in seinen Körper und benutzt ihre Fingerfertigkeit, um das Schloss zu knacken.

Zusätzlich können sich die Charaktere über Gegenstände im Inventar unterhalten und geben manchmal Tipps, wie sie benutzt werden können. Sollte eine Kontaktaufnahme zu einem Mitgeist nicht möglich bzw. sinnvoll sein, bekommt man eine Meldung der Art „Bitte jetzt nicht stören, bin beschäftigt“ oder „Warum fragst du mich?“. Durch die individuellen Fähigkeiten der Figuren lässt sich jedoch meist erahnen, ob sie weiterhelfen können, so dass man diese Sätze nicht zu häufig zu hören bekommt.

Auch nach dem Tod hält das ungleiche<br /><br />Trio zusammen.

The I in Pirateam

Die Charaktere gehen oft getrennte Wege und erledigen Aufgaben, die speziell auf sie zugeschnitten sind. Diese bewältigen die drei Protagonisten so, dass man nicht von einer Person zur anderen wechseln muss. Ein gemeinsames Rätsellösen wie in Day of the Tentacle, bei dem Gegenstände untereinander ausgetauscht werden müssen oder eine Aktion in einem Abschnitt etwas im nächsten Abschnitt verändert, gibt es nicht. Das ist weniger komplex, bietet Spielern aber die Möglichkeit, wenn sie nicht weiterkommen, sich in einem anderen Abschnitt zu versuchen. Trotzdem muss man früher oder später alle Teilaufgaben erledigen, um weiterzukommen.

In diesen Abschnitten handelt es sich um abgeschlossene Episoden, in denen zum Beispiel Blue Belly eine Heirat zwischen einem Adligen und einer Meerjungfrau verhindern, Doc eine kleine Verschwörung gegen einen Azteken-König aufdecken und Jane von ihren ehemaligen Feinden, die jetzt Zombie-Piraten sind, eine Karte stehlen muss. Diese Episodenstruktur sorgt zwar für Abwechslung. Das Hauptziel des Spiels, den bösen Piraten Blue Beard aufzuhalten, gerät dabei aber etwas in den Hintergrund, weil die Abschnitte oft wenig mit dem Haupterzählstrang zu tun haben. Es ist, als ob man eine kurze Fernsehserie schaut, deren Folgen teilweise lose zusammenhängen. So schwankt auch die Qualität der einzelnen Abschnitte, denn zur Entwicklung der Geschichte tragen diese nicht bei.

Auch Tote haben Gesichter und Gefühle

Die Hauptfiguren sind interessant gewählt: Papa Doc ist der gereifte, ernste Vooju-Priester, der seine Gefühle nicht immer preisgeben will. Aber durch den Verrat seiner Ex-Frau ist er innerlich aufgewühlt und kann seine Unsicherheit nicht verstecken, obwohl er von den drei Hauptcharakteren das umfassendste Wissen über Vooju hat und damit als Oberhaupt der Gruppe fungieren soll.

Blue Belly ist ein Piratenkoch, der zuvor unter dem Kommando von Green Beard gedient hat. Als Jane Starling aber auf dem Schiff des bösen Piraten spioniert und fliehen muss, hilft er ihr, mit seinem kleinen Boot zu fliehen. Er hat ein gutes Herz und einen gesunden Appetit, ist immer offen, wenn auch etwas unbedarft mit Frauen und tappt generell in das eine oder andere Fettnäpfchen.

Jane Starling ist eine selbstbewusste Piraten-Spionin, die jedoch auch eine romantische Ader hat und trotz Eigenständigkeit nach Freunden und der großen Liebe sucht. Diese glaubt sie in dem rebellischen Flint zu sehen, der sich gegen Blue Beards Flotte zur Wehr setzt.

Dazu kommt, dass die Geister durch ihr kollektives Bewusstsein ihre eigenen Gedanken nicht vor der Gruppe verbergen können und sie sich manch eine Bemerkung nicht verkneifen können. Wenn der Koch zum Beispiel über Frauen nachdenkt, schaltet sich die Piraten-Spionin dazwischen, während der Vooju-Priester dazu rät, sich auf die gegenwärtige Situation zu konzentrieren.

Obwohl die drei Figuren ein interessantes Trio abgeben, ist ihr Aufeinandertreffen und ihre Zusammenarbeit durch die wirre Geschichte unglaubwürdig. Janes Flucht mit Blue Belly und seine Bereitschaft, alles hinter sich zu lassen ist ebenso schwer nachzuvollziehen wie der Verrat Zimbis an Doc. Im Laufe der Geschichte kooperieren die drei zwar zusammen, eine engere Beziehung untereinander entsteht aber trotzdem nicht, was die Identifikation mit ihnen für den Spieler nicht immer leicht macht.

Blue Belly und Jane auf der Flucht vor<br /><br />Green Beard in einer der hübschen Zwischensequenzen.

Illustre Gestalten auf See und auf Land geben sich die Hand

Die anderen Charaktere sind teils gut, teils weniger gut in die Handlung integriert. Gerade der Schurke Green Beard und sein Gegenspieler sowie Janes heimliche Liebe Flint bleiben zu sehr im Hintergrund und damit ohne nennenswerte Charaktereigenschaften, obwohl sie für die Story wichtig sind. Das führt zu einem etwas unbefriedigenden und hastigen Schluss, der wie im Intro zu viele Handlungsverläufe auf einmal zeigen will, aber mehr verwirrt, als dass er Spannung oder Dramatik erzeugt.

Dafür sind einige Nebenfiguren ganz nett getroffen, denn sie haben ihre persönlichen Geschichten und durch sie erfährt man etwas mehr über die drei Helden. So trifft Jane auf alte Feinde in Form von Zombies und Blue Belly kehrt auf seine Heimatinsel zurück, wo er seinen Vater und seine Schwester wiedersieht.

Allzu prägnante Charaktere sollte man aber trotzdem nicht erwarten, denn diese sind wie die Episodenstruktur von schwankender Qualität. Das liegt vor allem an den Dialogen, die selten mit Wortwitz oder Ideenreichtum überzeugen können und somit den Figuren wenig Leben einhauchen.

Die schönen Kulissen lassen nicht nur<br /><br />Karibikstimmung aufkommen, sondern teilweise auch<br /><br />Gruselatmosphäre.

Selten so gelacht oder sich zumindest gedacht

Bei jedem humorvollen Comic-Adventure stellt sich die Frage: Ist es lustig? Freunde des schrägen Comic-Humors, der auch die LucasArts-Titel geziert hat, werden an einigen Stellen ihren Spaß haben, sei es bei den Seitenhieben auf das betrunkene Piratendasein, die Korruptheit der Azteken oder die nur an Schönheit, Ruhm und Macht interessierten Adeligen. Das gleiche gilt stellenweise für die verbalen Streitereien zwischen den Helden. Slapstick-Einlagen dürfen natürlich auch nicht fehlen. Erwachsenen Spielern dürften viele Gags allerdings zu brav sein, bissige Schenkelklopfer wie in den Vorbildern sind eher selten zu vernehmen.

Geistreiche Denkarbeit mit Kopfnüssen

Die zahlreichen Rätsel sind größtenteils originell. Schnitzer im Puzzle-Design, die zum Ausprobieren auf gut Glück verleiten, bilden die Ausnahme, gegen Ende nehmen sie allerdings etwas zu.

Da Geister generell keine Hosentaschen besitzen, werden logischerweise Gegenstände nicht direkt eingesammelt. Ein Charakter merkt sich stattdessen deren Standort auf ähnliche Weise, wie es gelegentlich in A Vampyre Story der Fall war.

Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel bewegt sich in der Regel von einfach bis fortgeschritten und bietet nur vereinzelt richtige Kopfnüsse. Die Aktionsmöglichkeiten sind begrenzt, da das Inventar nicht überladen ist und es wenige Schauplätze gibt. Dadurch kommt man auch, wenn man nicht mehr weiter weiß, zur Not mit Ausprobieren voran.

Die Rätsel an sich sind abwechslungsreich und bieten neben den vorherrschenden Kombinationsrätseln viele erfindungsreiche Knobeleien. So muss man zum Beispiel mit Blue Bellys Geist Besitz von einem Gefangenen ergreifen. Um seinem Zellennachbarn wichtige Informationen zu entlocken, wird eine Scharade mit dem Körper des Besessenen gespielt. Hierbei wählt man von einer Reihe von Symbolen aus, wie die nächsten Hand- und Kopfbewegungen aussehen. Entscheidet man sich für den richtigen Gesprächsablauf, wird das Gegenüber durch Drohungen eingeschüchtert und man bekommt die gewünschte Information.

Im späteren Verlauf der Geschichte können die Figuren sowohl zwischen ihrer Geisterform als auch ihrem materiellen Körper wechseln, was zum Lösen einiger Aufgaben erforderlich ist. So kann Doc zum Beispiel nur in seiner irdischen Form mit einem Azteken-König sprechen, an den Wachen vorbeischleichen ist nur als unsichtbarer Geist möglich. Da dieser Wechsel automatisch stattfindet, macht es die Rätsel nicht unbedingt komplexer, trotzdem gewinnen sie dank der zusätzlichen Ebene an Abwechslung und heben sich vom Standard ab.

Eines der originellsten Rätsel: Blue Belly nutzt einen leblosen Körper zu einem Scharadespiel, um an Informationen seines Zellennachbarn zu kommen.

Malerische Urlaubsfotos auf dem Bildschirm

Wenn man sich die Screenshots ansieht, darf man zurecht fragen, ob es sich hierbei um einen neuen Monkey-Island-Teil handelt. Das liegt nicht nur an den für Bill Tiller bekannten flauschigen Wolken, sondern auch an den Charakteren und der Umgebungsgrafik. Man könnte meinen, das Meer, die Küstenstädte oder fernen Berge wiederzuerkennen und direkt in die Karibik-Atmosphäre einzutauchen mit ihren Stränden, der Sonne und den generell kräftigen, frohen Farben. Natürlich weisen die Figuren eine gewisse Ähnlichkeit zu Bekanntem auf, sodass man sich öfters fragt, ob man Geisterpiraten und Voodoo-Praktiker/innen schon mal anderswo gesehen hat. Die Animationen sind gut gelungen und warten mit einigen sehr flüssigen Bewegungsabläufen auf. Gerade Janes geschmeidige Kletterübungen wirken wie aus einem Guss. Bei den Zwischensequenzen fragt man sich, ob nicht gerade ein Zeichentrickfilm abläuft. Die 3D-Modelle sowohl der Gegenstände als auch der Figuren setzen sich zwar etwas von den mit Hand gezeichneten Hintergründen ab, allzu auffällig oder gar störend ist das aber nicht.

Gerade solche Schauplätze zollen nicht nur <i>Monkey Island</i> Tribut, sondern sind auch an Filme wie <i>The Goonies</i> angelehnt.

Wir singen und tanzen auf Vooju-Island-isch

Musikalisch kommt richtige Karibikstimmung auf. Es sind eingängige Melodien, die mit den Umgebungsgeräuschen wie dem Meeresrauschen eine fantastische Atmosphäre schaffen, wie es schon Monkey Island 3 getan hat.

Bei der deutschen Sprachausgabe (eine englische Vertonung fehlt auf der DVD) hat man sich sehr bemüht und bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragende Sprecher gewählt, die ihre Rollen fast leben. Man merkt, dass es ihnen sichtlich Spaß gemacht hat, ihre Rollen einzusprechen. Vor allem Janes Lachen wirkt nie künstlich oder aufgesetzt. Einzig für Papa Doc hätte man einen Sprecher mit tieferer Stimme wählen können. Blue Belly hingegen ist mit seiner naiven Art und munteren Stimme genau passend getroffen, ohne dass er zu einer Witzfigur verkommt. Hätte man genauso viel Sorgfalt beim Schreiben von witzigen Dialogen walten lassen, wäre es ein Vergnügen gewesen, auf die nächste Pointe zu warten. Auffällig ist jedoch die nicht gegebene Lippensynchronität und wenige Beispiele, bei denen der Charakter noch längere Zeit die Lippen bewegt, obwohl seine Sätze schon gesprochen wurden.

Eine verbale Reise stornieren

Ein weiterer und schwerwiegender Kritikpunkt ist das Fehlen der Möglichkeit, Dialogzeilen zu überspringen. Zwar arten die Gespräche nie in epische Sätze aus, aber gerade bei dem Betrachten und Kombinieren von Objekten nervt es ungemein, immer dieselben Kommentare zu hören. Dieses Problem wird hoffentlich mit einem Patch gelöst werden. Für etwas weniger Unmut, aber doch leichtes Unverständnis sorgt die Tatsache, dass man die Laufwege der Charaktere weder beschleunigen noch abbrechen kann. Zwar gibt es die Möglichkeit, mit Doppelklick der Maus von einem zum nächsten Bildschirm zu springen, beginnt der Charakter aber seine Lauf-Animation, kann man sie nicht stoppen.

Fazit

Grafik, Musik und Rätseldesign lassen stellenweise Monkey Island-Flair aufkommen. Doch so richtig will der Funke nicht überspringen. Eine ansprechende Atmosphäre wird mit den stimmungsvoll gezeichneten Hintergrundbildern und Charakteren sowie der hervorragenden deutschen Vertonung und den schwungvollen Melodien zwar erreicht, es fehlt aber die Witzig- und Spritzigkeit, die den Titel in die oberste Liga der humorvollen Comic-Adventures heben könnte. Die Charaktere haben durchaus Potenzial, bringen aber aufgrund der häufig recht platten Gags den Spieler nicht immer zum Lachen. Durch die schwankende Qualität von Haupterzählstrang und Episodenstruktur gewinnt man oft den Eindruck, drei unterschiedliche Geschichten zu spielen, die ab und zu überlappen, jedoch einheitlicher hätten sein können. So bleibt ein audiovisuell sehr gut und rätseltechnisch gut gelungenes Comic-Adventure, dem die Erzählung, die Charaktere und die Dialoge leider nicht ganz gerecht werden.

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Das zweite Spiel von Autumn Moon Entertainment hat mir teilweise gut gefallen. Zwar ist es vom Setting nicht so ungewöhnlich wie A Vampyre Story und der Grafikstil, die Charaktere und Musik leiden etwas am Monkey-Island-Vergleich. Aber die Rätsel haben es mir angetan, weil sie durchaus originell und witzig sind. Von der in sich abgeschlossenen Geschichte habe ich kein Meisterwerk erwartet, hätte mir aber trotzdem eine etwas motivierendere Hauptgeschichte gewünscht. So gefielen mir die Einzelepisoden wesentlich besser, obwohl mir die meiste Zeit nicht klar war, auf was ich eigentlich hinarbeitete und es auch dort Qualitätsschwankungen bei Charakteren und Rätseldesign gab. Leider konnte ich mit den platten Sprüchen und dem fehlenden Wortwitz genauso wenig anfangen wie mit der wirren Geschichte. Hier ist noch großer Spielraum für Verbesserungen vorhanden. Mit der Spielmechanik hätte man sicher mehr erreichen können, aber persönlich fand ich die Einteilung in kleinere, individuelle Aufgaben und Schauplätze gut gelungen, da man hierbei nicht so oft stecken blieb und mit einem anderen Charakter weitermachen konnte. Insgesamt ist dem Team um Bill Tiller ein guter Einstieg in die (Geister-)Piraten-Welt gelungen, sodass ich hoffe, noch weitere Geschichten aus der Karibik rund um Vooju Island mit mehr Witz und Spannung zu erleben.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • Wunderbare Hintergrundgrafik, Zwischensequenzen und Charakterzeichnungen
  • Stimmungsvolle Karibikmusik
  • Tolle Sprecher
  • Klassische Dialog- und Inventarrätsel mit einigen genialen Einfällen
  • 3 spielbare Charaktere mit individuellen Fähigkeiten
  • Wirre Hauptgeschichte mit Logiklöchern
  • Schwaches Ende
  • Oft platter Humor
  • Dialoge, Monologe und Laufwege nicht abbrechbar