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Test

von  Hans Frank
18.12.2012
The Journey Down
Getestet auf iPad, Sprache Englisch

The Journey Down, ein Adventure, das gerade auf iOS-Geräten erschienen ist, hat schon einen längeren Entwicklungsweg hinter sich. Zunächst erschien im Jahr 2010 eine Freeware-Version in niedriger Auflösung, die vom schwedischen Entwicklerstudio Skygoblin mit Hilfe des Adventure-Editors AGS erstellt wurde. Diese kam so gut an (unter anderem Best Game Created with AGS 2010), dass in diesem Sommer eine erweiterte Version mit völlig überarbeiteten, hochauflösenden Grafiken, Sprachausgabe, mehr Charakteren und mehr Rätseln für Windows, Linux und Mac im Rahmen eines Indie-Bundles erschien. Für die neue Version setzen die Entwickler auf eine selbst entwickelte Engine. Wir haben uns das Spiel auf dem iPad angesehen. Eine Version für Android und eine deutsche Übersetzung sind geplant und teilweise umgesetzt, noch ist aber offen, wann diese verfügbar sein werden.

Große Vorbilder

Eine der ersten Tatsachen, die beim Spielen von The Journey Down ins Auge stechen, sind die maskenartigen Gesichter der Protagonisten. Der geneigte Adventurespieler denkt dabei sofort an Grim Fandango, und tatsächlich ist das kein Zufall. Der Kreativchef von Skygoblin, Theodor Waern, hatte bei dieser Entscheidung ähnliche Absichten wie einst Tim Schafer. Die Gesichter sollen auf das Wesentlichste konzentriert vor allem Emotionen vermitteln. Das wirkt tatsächlich nur die ersten paar Spielminuten ein wenig befremdlich, schon nach dieser kurzen Zeit hat man den Protagonisten Bwana lieb gewonnen und ist bereit für sein großes Abenteuer. Das Aussehen der Gesichter hat ihren Ursprung übrigens in verschiedenen Kulturen Afrikas, laut Waern allen voran bei den Chokwe- und Makonde-Ethnien. Und auch das restliche Spiel ist durchdrungen von afrikanischer Kultur und Mythologie, erfrischend verknüpft mit unserer westlichen Zivilisation.

Darum geht’s

Die eher unfreiwilligen Hauptdarsteller Bwana und Kito, beide überzeugte Reggae-Fans, besitzen eine etwas in die Jahre gekommene Tankstelle für Wasserflugzeuge und Boote im Hafengebiet der Metropole St. Armando. Eigentlich mit Charterservice, aber da die beiden ohnehin schon lange keine Kunden mehr hatten, sind sie sich nicht so sicher, ob das zugehörige Flugzeug überhaupt noch in die Luft zu bekommen ist. Wenn, da ist sich Kito sicher, bräuchte man dazu einige “kleinere” Ersatzteile wie Rotoren und Triebwerke. Als wäre die Situation nicht schon hoffnungslos genug, hat jetzt auch noch der lokale Stromanbieter seinen Besitzer gewechselt, der im Gegensatz zum vorherigen pünktliche Zahlungen erwartet. Das ist der Grund, warum dem Duo eines Abends der Strom abgedreht wird. Bevor sie aber weiter über ihre Situation nachdenken können, taucht eine junge Frau auf, die auf der Suche nach einem Buch ist, dass dem vor langer Zeit verschollenen Vater der beiden Brüder gehört haben soll. Das geheimnisvolle Buch soll den Schlüssel zum Geheimnis des Underlands beinhalten. Als Underland wird eine Region bezeichnet, die auf der anderen Seite der Welt liegt - jenseits der “Kante”. Diese andere Seite ist aber seit langer Zeit Sperrgebiet und seit kurzem darf man sich auch dem Rand nicht mehr nähern - und irgendjemand will, dass das auch so bleibt. Als Bwana das Buch schließlich findet, hat Lina es plötzlich sehr eilig und möchte sogar das Charterflugzeug buchen, um keine Zeit zu verlieren. Doch da kommt das Problem mit den Ersatzteilen wieder ins Spiel. Bwana und Kito fackeln nicht lange und entschließen sich, Lina zu helfen und zu ihrem bislang wahrscheinlich größten Abenteuer aufzubrechen.

Das erste Kapitel

The Journey Down ist auf mehrere Episoden ausgelegt. Im hier vorliegenden ersten Teil geht es hauptsächlich darum, das Charterflugzeug wieder fit zu machen. Man wird aber auch immer weiter in die spannende Geschichte eingeführt, die sehr viel Potential hat. Dabei werden aber auch traditionelle Adventuretugenden nicht vergessen. Die Macher haben sehr viel Wert auf gutes Rätseldesign gelegt und so gibt es viele kleinere und größere Aufgaben mittleren Schwierigkeitsgrades zu lösen, um die Geschichte fortschreiten zu lassen. Die Rätsel sind hier durchweg logisch aufgebaut und bestehen aus klassischen Inventar- sowie einigen Schalterrätseln. Dialoge werden manuell geführt. Besonderheit hier ist, dass man nicht wahllos alle Optionen abarbeiten muss, sondern tatsächlich den Gesprächsverlauf beeinflusst und Auswahlmöglichkeiten dann auch einmal verschwinden, wenn es nicht mehr zum jeweiligen Gesprächsstand passt. Man hat dabei nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Viel eher fühlen sich die Dialoge dadurch realistischer an. Ein klassisches Inventar bietet die Möglichkeit, Gegenstände aufzunehmen und miteinander oder mit der Umwelt zu kombinieren.

Atmosphärisch hat The Journey Down einiges zu bieten. Als erstes stechen die tollen Grafiken ins Auge, die sehr stilsicher eine zu den Reggae-Klängen der Hintergrundmusik und zur englischen Rastaman-Synchronisierung passende Stimmung vermittelt. Super sind auch die CGI-Zwischensequenzen, die an wichtigen Punkten kleine Spielpausen liefern und die Geschichte weiter erzählen. Die Charaktere wirken sehr authentisch, wobei einige Sprecher etwas zu stereotyp agieren. Auch die Animationen sind sehr gut gelungen und passen sich gut in die Hintergründe ein. Der Humor bringt genau die richtige Mischung aus Slapstick-Einlagen, Situationskomik und eigentlich ernster Hintergrundgeschichte zur Geltung und erinnert ein wenig an frühe LucasArts-Klassiker wie Day of the Tentacle. Der Satz “Das ist gerade albern genug, um klappen zu können” von Bwana bringt diese Mischung aus Realität und Wahnsinn sehr gut zur Geltung und gilt für das ganze Spiel.

Touch-Bedienung

Bei der Version des Spiels für moderne mobile Geräte wurde auch die Bedienung im Vergleich zur PC- und Mac-Version noch einmal verbessert. So hat zum Beispiel eine integrierte Hotspotanzeige ihren Weg ins Spiel gefunden, die jedoch nur aktiviert wird, wenn man mit dem Finger ohnehin schon recht nahe einem Interaktionspunkt entlangfährt. Die Bedienung ist ziemlich intuitiv und funktioniert perfekt. Spielern der Freeware-Version (die es im Übrigen immer noch zum Download gibt) werden aber vor allen Dingen die viel besseren Grafiken, die durchgängig gelungene Musikuntermalung sowie die Sprachausgabe auffallen.

Fazit

Die Geschichte und die Umsetzung von The Journey Down ist ziemlich gelungen und macht Lust auf mehr. Die Hintergrundgeschichte bedient sich zwar munter bei anderen Titeln, schafft es aber, trotzdem eine originelle Mischung und viel Kurzweil zu schaffen. Es macht Spaß, die beiden etwas tollpatschigen Brüder auf ihrem Abenteuer zu begleiten und immer mehr Informationen zum Underland zu erhalten. Wer klassische, humorige und etwas abgedrehte Adventures mag, wird The Journey Down mit hoher Wahrscheinlichkeit auch mögen. Die Entwickler planen übrigens, das nächste Kapitel Mitte 2013 zu veröffentlichen. Nach dem Abspann von Chapter 1 ist also etwas Geduld gefragt, bis die Geschichte fortgeführt wird.

Kommentare des Verfassers

Kommentare

detail

Ich habe die erste Episode vor einiger Zeit auf dem PC gespielt. Auch hier ist die Steuerung durchaus angenehm gestaltet. Insgesamt hat mir dieser erste Teil gut gefallen, vor allem den geschickt platzierten Humor und die beiden schön ausgearbeiteten Protagonisten fand ich toll. Dazu kommen ein hochwertiger Soundtrack, sehr ansehnliche Hintergründe und die schönen Animationen. Einziger Wermutstropfen ist der lange Zeitraum zwischen den Episoden.

detail

Ich gebe zu, ich bin bei so genannten “Indie-Adventures” immer etwas vorsichtig. Doch diese beweisen in letzter Zeit häufiger, dass sie durch Publisher gestützten Produktionen nicht nachstehen müssen, sondern auf mindestens gleichem Level agieren können. The Journey Down ist so ein Kandidat. War die Freeware-Ausgabe eher noch etwas für gnadenlose Nostalgiker oder eingefleischte Adventurefans, beweist es mit dem hochqualitativen Remake auf PC, Mac und jetzt iOS, was auch mit einem kleinen Entwicklerteam möglich ist. Das Spiel mit Oldschool-Atmosphäre hat mir viel Spaß gemacht und verbindet traditionelle Adventure-Werte mit aktueller Technik. Einzig und allein den Sprachaufnahmen merkt man an einigen wenigen Stellen an, dass das Equipment der Sprecher eher improvisiert als professionell ist. Die Spielzeit von ungefähr vier Stunden ist einer Episode angemessen. Ich bin begeistert und freue mich auf das nächste Kapitel.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • liebenswerte Charaktere
  • sehr atmosphärisch
  • guter Humor
  • tolle Grafik
  • interessanter Stil
  • Sprachausgabe mit schwankender Qualität