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Test

von  Topsy-Sophia Schmitt
08.03.2017
Bayou Island
Getestet auf Windows, Sprache Englisch

Mit dem unscheinbaren Point & Click-Adventure Bayou Island, das Ende Februar auf Steam veröffentlicht wurde, ließ sich der unabhängige Entwickler Andy Howard von den großen Klassikern inspirieren. Da jedoch schon der Titel einen eher abgedroschenen Eindruck hinterlässt, werden einige skeptische Adventure-Spieler selbst bei einem Low Budget-Produkt von 4,99 Euro zunächst einmal die ersten Reaktionen abwarten. Handelt es sich also tatsächlich um ein ambitioniertes Ansinnen oder schuf der Autor lediglich eine weitere „Einfalts-Insel“ unter all den Inselreichen, die das Genre nach Monkey Island bereits besiedeln durfte? Wir verraten es euch in unserem Test.

Scheinbar unvermittelt findet sich Chris auf Bayou Island wieder.

Dude, wo ist mein Schiff?

Ein stolzer Kapitän schätzt es nicht besonders, wenn man ihm die stürmische See unter den Füßen fortreißt und ihm einen unfreiwilligen Urlaub unter Landratten spendiert. So wurde leider mit Chris verfahren, obgleich dieser sich die unglücklichen Ereignisse keineswegs erklären kann. Jeder noch so winzige Zusammenhang zu seinem plötzlichen Aufenthalt auf Bayou Island ist seinem Gedächtnis auf wundersame Weise entschwunden. Darüber hinaus wurde ihm alles entrissen, was den wackeren Seefahrer bislang mit Leidenschaft erfüllte: Sein Schiff ist nämlich ebenso verschollen wie seine geliebte Gattin Sarah. Kurzerhand wittert er eine Verschwörung, die womöglich von zwielichtigen Gesellen in seiner näheren Umgebung initiiert wurde. Wem also vermag Chris noch zu trauen?

Das hat doch auch schon auf Scabb Island funktioniert.

Sehr mysteriös, aber wenig erbaulich

Um die Wahrheit zu ergründen, muss der Spieler klassische Rätsel bewältigen, deren Daseinszweck häufig angezweifelt werden kann. Warum etwa muss man eine solch umständliche Taktik ersinnen, um während der Öffnungszeiten in die Kneipe zu gelangen? Auch diverse Items, die einfach zu offensichtlich in der Gegend verstreut liegen, lassen jegliche Glaubwürdigkeit vermissen. Der niedrige Schwierigkeitsgrad des Spiels kann zudem keinen erfahrenen Abenteurer beeindrucken, zumal die meisten Knobeleien nahezu keine Hirnaktivität erfordern. Bloß ein äußerst konstruiertes Tresor-Rätsel, das überdies Verwirrung durch falsche Hinweise stiftet, bildet da eine wenig erbauliche Ausnahme. Traditionelle Multiple-Choice-Dialoge sollten vermutlich ausgiebige Konversationen mit Nebenfiguren ermöglichen, was bei Bayou Island allerdings nicht so recht fruchten wollte. So entpuppt sich Chris beileibe nicht als mitteilsamer Genosse und beschränkt sich bei seinen Fragen stets auf das Wesentliche. Der Spieler hingegen dürstet vergebens nach weiteren Informationen sowie etwas tiefschürfendem Wortwitz. Zwar scheint sich der Autor gelegentlich um lustige Textpassagen bemüht zu haben, welche dem durchschnittlichen Spieler letztlich aber kaum ein müdes Lächeln abringen dürften. Kurzum: Gespräche sind ebenso langweilig wie banal und vielleicht gerade deswegen so knapp geraten.

George trägt gerne diese modischen Totenmasken.

Hotspots? Welch unnötiges Feature!

Die relativ solide wie simple Steuerung basiert auf einem Verb-Coin-Interface, welches bis zu vier grundlegende Befehle (Gehen, Benutzen, Betrachten, Reden) umfasst. Sämtliche Fundsachen verstaut unser Held in einer Truhe, die somit als Inventar fungiert. Trotz des hohen Detailgrades, mit denen die Szenenbilder aufwarten, wurden dort nahezu keine Hotspots eingezeichnet, sodass nur mit den wichtigsten Objekten interagiert werden kann. Damit werden dem Spieler auch zusätzliche Kommentare vorenthalten. Mit Hinblick auf eine integrierte Funktion zur Anzeige von Hotspots entbehrt dies nicht einer gewissen Ironie.

Wahre Adventure-Helden nehmen sogar zerbrochenes Glas in ihr Inventar auf.

Darf mit Sombrero gespielt werden

Dass sich Bayou Island weniger an Monkey Island als vielmehr an Grim Fandango orientiert, macht sich vor allem stilistisch bemerkbar. So erkundet der Spieler eine lateinamerikanisch angehauchte Idylle, die als solche tatsächlich ihren Reiz entfacht. Die Hintergrundgrafiken wurden in grelle Neonfarben getränkt, wobei sich eine starke Tendenz zu blauen und purpurnen Einstichen beobachten lässt. Hinreichend ausgestaltete Farbschattierungen täuschen beinahe über die Tatsache hinweg, dass diese konstant vor sich hin leuchtende Umgebung ein höchst statisches Dasein fristet. Unzählige Totenmasken, -puppen und -figuren, welche den "Day of the Dead"-Souvenirladen zieren, lassen sich zudem als Anekdote auf den besagten Klassiker der Marke Lucas Arts verstehen. Misslungen scheint hingegen das Charakter-Design, da sich die schlicht gezeichneten Individuen mehr schlecht als recht in die detailverliebten Kulissen einfügen und durch steife Animationen eher behelfsmäßig zum Leben erweckt wurden. Musikalisch kommt Bayou Island zwar etwas eintönig daher, kann aber durch gelegentliche Gesangseinlagen mit spanischem Flair eine angenehme Stimmung erzeugen. Darüber hinaus wurde das Spiel, welches auch nur englische Untertitel anbietet, mit einer äußerst provisorischen Synchronisation ausgestattet. Die Sprecher wirken bemüht und selten gefühlsbetont.

Dieses Rätsel wird einige Nerven kosten.

Fazit: Gut gemeint…?

Bayou Island wurde angeblich als Mystery-Thriller konzipiert. So kann es zwar eine annehmbare Geschichte vorweisen, die allerdings an dürftigen Texten, miserabel ausgearbeiteten Charakteren und mangelnder Spannung krankt. Besonders letzteres führt die Bezeichnung „Mystery-Thriller“ dann vollkommen ad absurdum. Etwas mehr Hingabe von Seiten des Entwicklers wäre dem Projekt definitiv zuträglich gewesen.

Galerie

Kommentar des Verfassers

Kommentare

detail

Ein gutes Grafikadventure sollte schon einen gewissen Charme versprühen. Dieser lässt sich bei Bayou Island vielleicht ansatzweise in den Hintergrundgrafiken erkennen, aber deshalb sprüht er noch lange nicht um sich. Als Parfumfläschen erzielt das Spiel also keine magische Wirkung – als Zeitvertreib ist es jedoch auch nur bedingt zu empfehlen, denn es könnte die Langeweile sogar verschlimmern. Eventuell sollte ich mich demnächst wieder nach anständigen „Parfumsorten“ umsehen.

Redaktions-Wertung

Grafik
Musik
Steuerung
Atmosphäre
Rätsel

Gesamt

Pro
Contra
  • solide Musikuntermalung
  • hübsche Grafiken…
  • … in die sich die Charaktere schlecht einfügen
  • steife Animationen
  • zu leichte und teils konstruierte Rätsel
  • kaum Humor oder Spannung
  • bescheidene Sprachausgabe