Man kann das Problem sehr gerne von mehreren Seiten beleuchten, aber zunächst muss man sagen, dass die Entlassung eines Dutzend Mitarbeiters bei gleichzeitiger Ausschreibung von 20 Stellen eben nicht auf eine besorgniserregende Verkleinerung des Unternehmens hindeutet. Wobei ich keine offiziellen Zahlen gefunden habe, wieviele Mitarbeiter das Unternehmen
insgesamt hat, was ebenfalls eine wichtige Messgröße wäre.
Als Grund Nummer eins für die sinkenden Umsätze GOGs - soweit ist es ja Fakt - würde ich nennen:
(1) Die lange Pause zwischen The Witcher III und Cyberpunk 2077.
Mir kleben die Statistiken noch sehr im Kopf, dass GOG seinem Umsatz mit einem extrem hohen Prozentsatz über die hauseigenen CDPR-Spiele bestritten hat (die natürlich immer einen Ehrenplatz auf der Hauptseite einnahmen). Aber The Witcher III hat inzwischen fast vier Jahre auf dem Buckel, war ungefähr 50 Mal reduziert erhältlich, und alles, was seit 2015 rauskam, war derivativ (DLCs sowie die erwartbar fehlgeschlagenen "Witcher Tales" mit ihrem Telltale-Konzept). Die Umsätze von GOG werden mit Cyberpunk wieder sprunghaft ansteigen. Nur: Cyberpunk ist nicht mal für 2019 wirklich "in Sicht". Glaubt man den Glassdoor-Rezensionen für den Arbeitgeber CDPR, gab die Chefetage über Jahre wirre, gegensätzliche Anweisungen, die bereits Programmiertes ständig wieder über den Haufen warfen. Hier könnte eine epochale Selbstsabotage vorliegen – kein Grund, den Kunden für irgendetwas verantwortlich zu machen.
(2) DRM free taugt nicht mehr als USP
Wenn ich sehe, wie Leute über DRM free jubeln, aber sich dann mit Galaxy und den Achievements im Wesentlichen auch nur eine Form des Kopierschutzes auf den PC laden, kann ich nur den Kopf schütteln. Ubisoft, die mit Assassin's Creed II 2009 grandios an einem always-online-Kopierschutz gescheitert sind, versuchen dasselbe soeben mit Beyond Good & Evil 2 neu durchzudrücken, vermutlich erfolgreich. GOG selbst versuchen sich an einer "FCK DRM"-Initiative, in welcher sie mit (positiv gemeinten!!) Zitaten von Gabe Newell arbeiten, während sie die .exe-Installer in den Nutzeraccounts ständig gemeiner verstecken. Den Kampf gegen DRM verkauft GOG inzwischen buchstäblich als Kampf gegen Tagès, Starforce und Securom. Kurz, GOG meint es mit ihrem USP selbst gar nicht mehr wirklich ernst. Das merkt auch die Kundschaft.
(3) GOG hat sich über twitter beständig blamiert
Offizielle Tweets mit gamergate-memes und transphobe Witze haben die Reputation der polnischen Distributoren 2018 buchstäblich zerklöppelt. Leider ist es hier auch Firmenstrategie, sich für Fauxpas nicht zu entschuldigen, sondern mit Musterbildern einer "corporate apology" auf den entstehenden Protest zu antworten. Das kann nicht ewig gutgehen.
(4) Der Epic-Store bietet erheblich bessere Konditionen für Entwickler
Und so herzerwärmend es für mich ist, Steam endlich Kunden bluten zu sehen, natürlich wird GOG hierdurch auch an Umsatz einbüßen. Auch dort ist 70/30 wie bei Steam vorgesehen - und im Gegensatz zu Valve könnte GOG die neue Preisspirale nicht mitmachen.
(5) Die GOG-Community ist für Entwickler hochgradig unattraktiv
So, und jetzt kommen wir zum Eingemachten. Was sich in den GOG-Foren für reaktionäres Gesindel rumtreibt, geht auf keine Kuhhaut, und ich könnte auf Anhieb 30 (ja, dreißig) Nicks von Mitgliedern nennen, die beständig rechtsradikale bis nationalsozialistische Positionen vertreten, und gegen die nichts, aber auch wirklich gar nichts unternommen wird. Dazu unterhalten Mitglieder eine Reihe von Stigma-Threads, in welchen jeder Entwickler, dessen Spiele auch nur einen halben Tag nach dem Steam-Release auf GOG erscheinen oder die Patches in der Woche drauf bekommen, haarklein zerpflückt und in Listenform für alle Zeiten angeprangert wird. Auch hiergegen tut GOG überhaupt nichts, und ich sehe nicht, wieso Entwickler unter diesen Voraussetzungen überhaupt auf GOG publizieren sollten.
(6) Keiner zahlt so spät wie GOG
Die Zahlungsbedingungen von GOG gegenüber ihren Geschäftskunden ist unter aller Kanone. Wie wir etwa kürzlich bei der
Thimbleweed Park-Modellrechnung von Ron Gilbert gesehen haben, hatten ALLE anderen Partner (also Valve, Nintendo, Microsoft, Sony, Apple und Google) schon gezahlt, als aus Richtung GOG noch müdes Gähnen herrschte. In diesem Fall hatte Ron kurz vor Jahresende 2018 nicht mal die Knete für die Umsätze des dritten Quartals! Das ist ein weiterer Schlag ins eigene Gesicht.